Nun stand ich schon seit zwei Stunden an einer Flugschneise zwischen dem Brutgewässer der Graugänse und den Wiesen im Hintergrund, die sie für die Nahrungsaufnahme aufsuchen. Eigentlich ist dieser Standort ideal, um die Revierstreitigkeiten, sowie startende und landende Gänse zu fotografieren. Eigentlich! Doch heute ist alles anders. Vermutlich bin ich zu führ dran im Jahr. Die beiden frühlingshaften Wochen im Februar ließen mich vermuten, dass die Graugänse ihre Reviere abstecken. Am Dümmer beobachtete ich, dass sehr viele Gänse bereits paarweise in den Wiesen standen. Doch wie immer die Vermutungen auch waren, die Wirklich sah anders aus. Ein bißchen Schade war es schon um den blauen Himmel, den Sonnenschein und das frühe Aufstehen. Lediglich einige Blässhühner und Ringeltauben ließen sich regelmäßig blicken.
Mein alter Freund Fritz Pölking pflegte in solchen Situationen zu sagen: „Entweder fährst Du ins Büro oder Du machst eine neuen Plan.“ Da ich in Hannover unterwegs war, kam das Büro nicht in Frage. Also musste ein neuer Plan her. Sandra Bartocha sagte einmal in einem gemeinsamen Workshop zu den Teilnehmenden: „Naturfotografen, die auf zwei Quadratmetern keine Motive für einen ganzen Vormittag finden, können nicht fotografieren“. Ich denke, sie wollte damit zum Ausdruck bringen, dass man aus jeder Situation etwas machen kann, wenn man sich darauf einstellt und ein wenig Kreativität und Offenheit mitbringt. Also hieß es für mich, die „Reset-Taste“ zu drücken und von den bisherigen Plänen Abschied zu nehmen. Was blieb waren Ringeltauben und Blässhühner. Ich entschied mich für die Tauben.
Nach einiger Zeit des Beobachtens stellte ich fest, dass die Tauben regelmäßig eine bestimmte Route flogen. So entstand die Idee, den Bewegungsablauf, die unterschiedlichen Stadien ihres Flugs, in einem Bild zu zeigen. Dazu fertigte ich immer wieder Sequenzen mit Flugbildern. Dabei kam mir zu Hilfe, dass es an dem Tag einen sehr gleichmäßigen blauen Himmel gab. Mit den 14 Bildern pro Sekunde der Nikon D6 konnte ich sehr nahe aufeinanderfolgende Bewegungsmuster aufzeichnen. Mit eine Vielzahl von Bildern auf der Karte ging es zurück nach Hause.
Nun wurden die Bildserien am Rechner bearbeitet. Dazu bearbeitete ich aus jeder Sequenz ein Bild, dessen Entwicklungsdaten ich dann in Photoshop Lightroom mit den jeweils anderen Aufnahmen einer Serie synchronisierte. So entstanden in der Bilddarstellung absolut gleichmäßige Ergebnisse. Nun wurden Bilder ausgewählt, die zu einem Bewegungsablauf in einem Bild montiert werden sollten. Dabei kombinierte ich nur Bilder, die auch aus einer fotografischen Sequenz stammten, da sonst die Proportionen nicht optimal abgestimmt wären. Nach dem Export aus Lightroom wurden die Bilder in Photoshop geöffnet. Beim ersten Bild erweiterte ich die Arbeitsfläche auf die für die Gesamtdarstellung erforderliche Größe und füllte die hinzugefügte Fläche mit dem Blau des Himmels. Nun wurden die weiteren Bilder mit dem Werkzeug „Objektauswahl“ freigestellt und als TIFF-Dateien gespeichert. Dann legte ich im ersten Bild Ebenen mit den freigestellten Bildern an. Mit der Methode „Abdunkeln“ im Überblendmodus fügte ich die weiteren Bilder hinzu. Auf diese Weise konnte ich Bewegungsabläufe, die sonst dem Film vorbehalten sind, in einem Bild darstellen.
Und was die „Moral aus der Geschichte“: Man sollte sich nicht zu schnell entmutigen lassen!