Auch nach fast 40 Jahren Naturfotografie gibt es heimischen Arten, denen ich noch nie begegnet bin. Dazu zählte bis zum Juni diesen Jahres der Wiedehopf. Dann erfolgte ein Anruf eines Freundes und ich hatte für ein kurzes Zeitfenster die Gelegenheit, diesen wunderschönen Vogel in Norddeutschland zu fotografieren. Noch in der Dunkelheit baute ich ein Tarnzelt in der Nähe seiner Bruthöhle auf. Kurz nach Tagesanbruch erschien dann der erste Altvogel, um die fast flüggen Jungvögel zu füttern. Im 15-Minuten-Takt wurde ein Insekt nach dem anderen herangebracht. Oft waren es Engerlingen und Larven. Der Flug des Wiedehopfs ist ungewöhnlich und erinnerte mich das Flattern der Schmetterlinge. Und erst im Flug wird die ganze Schönheit des Vogels sichtbar. So entschloss ich mich, vorrangig Flugstudien anzufertigen. Dabei kam mir zugute, dass der Nahrungsbedarf der fast ausgewachsenen Jungvögel hoch war und daher die Altvögel oft die Bruthöhle anflogen.

Nun stellte sich jedoch die Frage, wie man solche Bilderwünsche im Detail umsetzten kann. Die größten Herausforderungen waren das Licht und die Schärfe. Die Sonne setzte sich an diesem Morgen nur langsam durch und konnte den Dunst und die Wolken nur schwer verdrängen. Daher entschied ich mich für die Verwendung der ISO-Automatik. Ich arbeitete mit dem Nikon AF-S Nikkor 500mm f5.6 E PF ED VR. Dieses Objektiv ist sehr handlich und im Vergleich zum „großen Bruder“ (4/500er) sehr diskret. Somit war die Anfangsöffnung von Blende 5.6 vorgegeben. Aus Erfahrung wusste ich, dass Vögel mit einem Flugverhalten des Wiedehopfs längstens mit einer 1/2.500 Sekunden Belichtungszeit fotografiert werden sollten, damit die Ergebnisse wirklich scharf sind. Damit stand auch der zweite Parameter fest. Dann blieb nur noch den ISO-Wert auf die sich verändernden Lichtgegebenheiten anzupassen. Das übernimmt die Funktion „ISO-Automatik“, sofern die beiden vorherigen Werte in der Kamera eingestellt wurden. Die meisten Bilder fotografierte ich mit Werten zwischen 1.600 und 3.200 ISO.

Doch wie bekommt man den Vogel scharf auf den Sensor? Der Wiedehopf fliegt auf gut vorhersehbaren Bahnen seine Bruthöhle an. Daher versuchte ich zunächst die Tiefenschärfe manuell vorzuwählen und ohne Autofokus zu arbeiten. Doch bei kritischer Betrachtung waren nur wenige Bilder wirklich scharf. Damit schied die Methode aus. Dann versuchte ich den Vogel ausschließlich mit dem Autofokus „abzufangen“. Egal mit welcher Messmethode, die Trefferquote war zu gering. Dann wählte ich bei meiner Nikon D6 die Messfeldgruppensteuerung. Dabei definierte ich eine horizontale Linie in der Mitte des Sucherbildes. Das linke Feld erfasste die Bruthöhle und stellte sie scharf ein. Die anderen Messfelder erfassten den unscharfen Raum. Flog nur ein Wiedehopf in die leeren Raum, wurde er von den Messfelder erfasst und da sich das Motiv bewegte, erhielt es sofort Priorität. Auf diese Weise gelang es mir, sicherlich 90 % der Aufnahmen scharf abzubilden. Nun hieß es „nur“ noch den richtigen Moment des Anflugs abzupassen und anschließend zu Hause aus der Vielzahl der scharfen Bilder die wenigen wirklich guten Bilder herauszusuchen.

Nun glaubte ich, einem Neubürger meiner Heimat begegnete zu sein und freut mich darüber. Bei der späteren Recherche stieß ich dann jedoch auf einen Bericht von 1929. Darin wurden von der naturkundlichen Abteilung des Museums in Hannover Angaben zu bestimmten Vogelarten im Oldenburgischen erbeten. Und siehe da, der Wiedehopf war in der damaligen bäuerlichen Kulturlandschaft ein Brutvogel an verschiedenen Stellen rund um meine Haustür. Eine alte Erkenntnis blitze in dem Moment auf: Vergeht die Landschaft, gehen ihre Bewohner. Insofern ist der stille Wiedereinzug des Wiedehopfs vielleicht ein Hoffnungszeichen.

 

Für den Download des Berichts, bitte auf die Karte klicken.

 

Erst im Flug wird das Farben- und Formenspiel im Gefieder des Wiedehopf sichtbar

 

Der Wiedehopf bringt Beute für seinen Nachwuchs.

 

Die Schönheit des Federkleids läßt sich bei dieser Aufnahme erahnen.

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