„Herbstgeflüster“ ist der Titel meine aktuellen Fotoausstellung, die in der „kleinen steinfelder galerie“ von am vergangenen Freitag eröffnet wurde. Die Galeristen Ute und David Beavan konnten rund 100 Gäste zur Vernissage begrüßen. Mit einer Klangimprovisation stimmte Silke Büscherhoff am Marimba die Besucher in die Ausstellung ein. Der Chefredakteur und Verleger der Fotozeitschrift „fotoforum„, Martin Breutmann aus Münster, führte in die Ausstellung ein. Seine Rede finden Sie nachstehend. In wunderbarer Atmosphäre, bei selbst gemachten Leckereien und einem Glas Wein, gab es einen regen Austausch und gute Gespräche. Allen Beteiligten sage ich meinen herzlichen Dank für diesen wundervollen Abend.

Rede von Martin Breutmann:

Guten Abend! Schön, dass Sie da sind!

Einige sind ja noch im Urlaub.
Nochmal Sommer-Sonne tanken.
Dem kalten Wetter entfliehen.
Oder vielleicht sogar auf den Frühling warten!

Aber Sie sind da. Das ist schön!
Herbstlich willkommen!

Mein Name ist Martin Breutmann und ich habe heute das Vergnügen und die Ehre, diese Ausstellung von Willi Rolfes hier in der „kleinen steinfelder galerie“ eröffnen zu dürfen. Herzlichen Dank an die Kunstaktivisten Ute und David Beavan für die Einladung und natürlich an Willi Rolfes. Gemeinsam bescheren sie uns hier diesen herbstlichen Genuss.

Ja, draußen ist es kalt geworden. Oder? Aber der Sommer ist ja auch vorbei. Und jetzt kommt der Herbst. Genauer gesagt: Jetzt IST Herbst!  Ach ja.
Und wenn der Herbst kommt – dann ist das Jahr auch schon fast wieder zu Ende. Beinahe könnte man wehmütig werden:

Die warme Sonne auf der Haut …
Spaghetti Carbonara auf der Terrasse
Grillen im Garten,
lange Abende am Gartenfeuer
Rasenmähen

Alles vorbei.

In seinem Gedicht  „herbstgeflüster“ formuliert der bekannte Lyriker Günther Butkus diese Melancholie:

Herbstgeflüster

 im sturm schütteln
äste die blätter ab
sie fliegen hoch mit
dem wind ist vieles
leichter im herbst
wenn herzen trauern

Diese trauernden Herzen haben Sie vermutlich schon gesehen: – als Fotografie von Willi Rolfes auf der Einladungskarte zu dieser Ausstellung. In dem Buch „laub ist ein geruch es ist ein flirren“ mit neuen Gedichten vom Herbst von 48 Autorinnen und Autoren, stehen diese Herzen dem Gedicht gegenüber.

Also: Alles vorbei! HERBST! Aber ist das wirklich so? Ist mit dem Herbst wirklich alles vorbei? Ich meine: Nein! Jetzt geht’s noch mal so richtig los!

Das monotone Grün des Sommers bekommt endlich Konkurrenz: Die Natur nimmt nochmal Anlauf in vielen Farben: Blätter färben sich gelb und braun, orange und rot und dazwischen in allen tausend und noch mehr Farben.  Die tiefstehende Sonne legt noch mal ne Schippe drauf, ein Licht, so schön, kaum auszuhalten. Goldener Oktober. Und ich frag mich dann: Wofür?

Hat die Natur nicht schon ihr Werk getan? Der Nachwuchs ist gezeugt, dem Nest entflohn, das Korn, die Frucht gereift. Die Ernte eingebracht. Erntedankzeit. Wir hatten Kirschen, am liebsten frisch vom Baum und mit glitschigen Fingern, Erdbeern vom Feld. Und Rhabarber. Und Pflaumen. Auf Kuchen mit Sahne. Aus reinem Überschwang scheint die Natur, diese bestens organisierte und strukturierte, noch einmal in der Lust der Farben zu schwelgen.

Macht die uns den Clown?

Und da stehen wir: mitten im Leben! HERBST. Und am Abend senkt sich leise ein feiner Nebel, schenkt uns nach einem sonnengetränkten Herbsttag eine angenehme Kühle – bis dass wir frösteln. Jetzt ist es vorbei. HERBST! Aber ist das wirklich so? Ist mit dem ersten Frost wirklich alles vorbei? Der Herbst gibt so schnell nicht auf.

Die letzten Himbeern luken noch unter ein paar schützenden Blättern hervor.
Jetzt sammeln wir Walnüsse und Kastanien. Atmen den Geruch von Wald und Laub.
Das Leben wird langsamer, der Winter klopft an.
Ein Glas Rotwein am Kamin passt jetzt besser als der Erdbeershake.

Die Fotografien von Willi Rolfes erzählen von diesem Leben, im Jahreslauf der Natur, unaufhaltsam verbunden mit der Zeit, die wir nicht anhalten können, von Dingen, die einfach passieren: passieren – So heißt auch ein Gedicht von Kathrin Niemela das ein wenig von der Unaufhaltsamkeit der Zeit im Herbst erzählt:

passieren

blätter im perfekt,
es ist reif, irgendwann eis –
was braucht es, um flüssig zu bleiben,
bis man uns in den ofen schiebt wie die hexe,
lass uns tage mästen, volumen sein,
nur platon weiß, wie wir uns verteilen,
kugelmenschen, fugo, google, lass uns reisen
im quittenzenit, wo alles zu fallen beginnt,
gefallen wir uns im liegen, flaumig duftend
in den abend geschmiegt,
lassen wir revue passieren, durchpassiert,
gerührt, bis wir uns nicht mehr regen –
ist es kapitulieren, wenn
sich dinge ergeben?

Der Fotograf Willi Rolfes ist vielseitig. Und er ist technisch extrem versiert. Er beherrscht sein Instrument, die Kamera und alles, was dazu gehört, perfekt. Unbändige Neugier treibt ihn an, ohne dass er sich in den Dingen verliert. Er kann fokussieren. Die Kamera und sich selbst. Mit diesen Fähigkeiten schafft er immer wieder neue und herausragende Arbeiten und Projekte.

Willi Rolfes, den ich als Verleger und Freund seit fast 20 Jahren begleiten darf, hat in dieser Zeit als Fotograf eine kontinuierliche Entwicklung vollzogen:  Die Beschreibung von Natur- und Kulturräumen, in denen wir Menschen eingebunden und verbunden sind, ist und bleibt seine große Leidenschaft:  Kenntnis und Verständnis zu wecken und zu werben für den Schutz der Natur, ist ihm ein wichtiges Anliegen. Aber das ist nur eine Ebene seines umfangreichen Werks mit rund 70 Büchern und vielen Ausstellungen.

Seine Arbeit ist längst über das Dokumentarische hinausgewachsen. Mit seinen Bildern erzählt er vom Leben schlechthin. Er feiert es in allen Farben. Die Bilder, die wir heute hier sehen, nehme ich so wahr: Sie sind keine Erklärbilder, ihnen wohnt keine festgelegte Sichtweise inne, die es zu verstehen gäbe.  Sie gehen über die reine Dokumentation von Natur hinaus. Diese Bilder sind vor allem eines: ein Angebot.

Ein Angebot für eigene Deutungen.
Ein Angebot für eigene Erkundungen.
Ein Angebot, die Natur selbst – wieder – zu entdecken und zu spüren.
Uns zu spüren. In der Natur, von der wir nur ein Teil sind.

In diesem Sinne könnte ich Sie jetzt einladen, gemeinsam mit Willi Rolfes und in dieser schönen Runde die Fotos zu betrachten und eigene Bilder entstehen zu lassen. Aber das tue ich jetzt nicht noch mal extra, denn die Einladung ist bereits ausgesprochen: Die Fotografien von Willi Rolfes SIND die Einladung.

Ich wünsche Ihnen viel Freude, inspirierende Gespräche und einen angenehmen Abend!

 

Bei besonders Dankeschön gilt Stefanie Kohorst und Bernd Kuper für die fotografische Begleitung der Veranstaltung!

 

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